Generaldirektor Martin Gölles und Künstlerin Asma Kocjan, deren Ausstellung Think Positive von 17. November bis 31. Dezember in der Zentrale der HYPO Steiermark in der Radetzkystraße 15–17 zu sehen ist.

Die Digitalisierung schreitet voran und ­betrifft die Kunst wie auch das Bankwesen. „Achtzig“ sprach mit HYPO-Steiermark-Generaldirektor Martin Gölles und Künstlerin Asma Kocjan über Automatisierung versus Individualisierung und das gemeinsame Kunstprojekt „Think Positive“.

 

Text: Wolfgang Pauker

 

Ein gemeinsames Kunstprojekt widmet sich der Digitalisierung. Wieso wählte man dieses aktuell so omnipräsente Thema?

 

Asma Kocjan: Grundsätzlich ist es für Künstler immer wichtig, sich mit einem brennenden Thema auseinanderzusetzen. Der Kulturwandel, der sich derzeit vollzieht, räumt der Digitalisierung, neuen Technologien und künstlerischer Intelligenz immer mehr Raum ein – aber das Menschliche bleibt! Kern der Idee unseres Projekts war, dass es sich in einer Bank um Menschlichkeit in einem computerbasierten Umfeld dreht. Ich selbst komme ursprünglich aus der Welt der Mode, wo ebenfalls das Individuum an erster Stelle steht. So sind wir immer weiter in dieses Thema vorgestoßen und haben es zum Motiv der Ausstellung und des Projekts „Kalender 2021“ gemacht.

 

 

Martin Gölles: Da wir uns als HYPO Steiermark der heimischen Kunst und Kultur sehr verpflichtet fühlen, haben wir vergangenes Jahr damit begonnen, mit steirischen Künstlern traditionelle Kalender zu gestalten und unseren Kunden zur Verfügung zu stellen. Durchaus ein Thema, wo sich die Generationen differenzieren. Denn junge Leute, so sagt man, brauchen keinen Kalender – obgleich ich genug kenne, die gerne neben dem Smartphone einen griffbereit haben. Wir sind eben in einer Welt angekommen, wo beides, das Digitale wie auch das Manuelle, möglich sein soll. Denn die Zukunft liegt im Sowohl-als-auch, nicht im Entweder-oder. Weil ­Digitalisierung eben in beide Bereiche, Kunst und Bankwesen, Einzug hält, war klar, dass wir etwas gestalten wollten, dass das Individuum und das Digitale gemeinsam unterbringt. Denn das Individuelle kann, soll und darf durch nichts ersetzt werden. Das Werk von Asma Kocjan ist wie geschaffen für den Kalender, denn es schafft einen Berührungsbogen zwischen Menschsein und Technologie, zwischen Tradition und Vision.

 

Der Titel der einhergehenden Schau, die von 17. November bis 31. Dezember 2020 zu sehen ist, lautet „Think Positive“. Ist die Digitalisierung mehr Fluch oder Segen?

 

Kocjan: Im Grunde betrifft sie mich als Künstlerin gar nicht so sehr wie andere Branchen, weil ich mein Werk mit eigenen Händen herstellen kann und auch immer werde. Ich bin also in einer glücklichen Position, dass sich meine Malerei nicht digitalisieren lässt. Die andere Seite ist, dass man sich durch den technischen Fortschritt in der Kunst ganz neuer Techniken bedienen, diese zur eigenen Arbeitsweise hinzuziehen und daraus Vorteile generieren kann. Im Allgemeinen sehe ich mehr Vor- als Nachteile.

Asma Kocjans Arbeit Think Positive ziert vom Chefkalender über den Miniplaner bis zum Stehkalender die Druckwerke 2021 der HYPO SteiermarkGölles: Hier sind wir uns, glaube ich, beide grundsätzlich einig: Man soll Neuheiten, Entwicklungen und Technologien nicht verteufeln. Historisch betrachtet war Fortschritt immer da – auch in der Kunst. Wer hätte sich einst gedacht, dass eine Fotografie in ein Kunstwerk einfließen kann oder man Röntgenaufnahmen in eine künstlerische Arbeit einbezieht, wie es auch Asma Kocjan einst in einer Ausstellung getan hat. Da ist die Kunst dem Bankgeschäft nicht unähnlich. Es ist noch gar nicht so lange her, da wurden Sparbücher noch mit der Hand aktualisiert. Heute unvorstellbar! So gesehen ist die Digitalisierung durchwegs positiv zu betrachten, denn sie ist Teil der Evolution, Teil einer noch viel weiter gehenden Entwicklung, die sich uns erst erschließen wird. Deshalb: Think positive! Alle, die das nicht tun, werden zum Stillstand kommen und den Fortschritt verschlafen. Ich sehe die Digitalisierung absolut als Chance.

 

Die Covid-19-Pandemie hat die Digitalisierung weiter vorangetrieben. Welche Vorteile bringt sie für das Bankgeschäft und den Kunstmarkt?

 

Gölles: Es ist die Anforderung eines Bankinstitutes, Automatisierung und Individualisierung miteinander zu verknüpfen. Denn wir wollen uns nicht davor verstecken, dass die IT in Form von Online-Banking und digitalen Bezahlformen immer mehr Einzug hält, und sind uns dem Nutzen dieser Neuerungen bewusst. Auf der anderen Seite wissen wir aber auch, und hier ist es egal, ob es um den Verkauf eines Kunstwerkes oder eines Bankproduktes geht, dass gerade die Individualisierung der Dienstleistung oder des Produktes dem Kunden sehr wichtig sind. Denn kein Mensch kommt ohne Emotionen aus. Insofern ist es unsere Kernaufgabe, bestimmte Dinge nun noch besser zu individualisieren – indem wir uns Zeit nehmen.

 

 

Kocjan: Was die Vermarktung von Kunst betrifft, hat die Digitalisierung sicher Vorteile und hinsichtlich des Marketings tun sich völlig neue Möglichkeiten auf. Unlängst habe ich beispielsweise eines meiner Werke über Instagram an eine berühmte Londoner Galerie verkauft, die ein Bild von mir auf dieser Plattform gesehen hat. Das wäre sonst sicher nicht möglich gewesen, denn ohne soziale Medien hätte diese Galerie niemals ein Bild von mir entdeckt.

 

Die reale Auseinandersetzung mit Kunst wird also ebenso wenig zu ersetzen sein wie der persönliche Zugang im Bankgeschäft?

 

Kocjan: Ich finde, man muss Kunst spüren und dazu gehört es ganz einfach, dass es Ausstellungen gibt, wo Menschen miteinander interagieren, über Kunst diskutieren und Künstlerinnen und Künstler sich erklären. Das ginge vielleicht bis zu einem gewissen Grad auch virtuell, aber das ist einfach nicht dasselbe. Gerade bei der bildenden Kunst muss der Erschaffer wie auch der Betrachter real davorstehen – das ist unersetzbar.

 

 

Gölles: Wenn man ein Bild erwirbt, dann geht es um weit mehr als nur das Werk. Es geht um die Geschichte des Künstlers, um die Entstehung der Arbeit, vielleicht auch um den Moment, als man es das erste Mal sah. Wenn man dieses Werk zu Hause hat, dann hat es etwas zu erzählen, man kann es fühlen. Ähnlich ist es auch bei uns im Bankgeschäft. Jeder Kunde, der gute Beratung erhalten hat, wird die Filiale zufrieden verlassen – und die HYPO Steiermark ist zum wiederholten Male als beste Beraterbank ausgezeichnet worden. Das liegt eben daran, dass wir für Kunden ein Ambiente und Gesprächsklima schaffen, in dem in aller Ruhe passgenau zugeschnittene Produkte präsentiert werden. Wenn man sich mit dieser Wertschätzung wohl fühlt, wird man sich auch für eine Veranlagung in unserem Haus entscheiden – weil sich hier Zeit genommen wird und man sich mit Fragen, Wünschen und Problemen intensiv und individuell befasst.

 

Die HYPO Steiermark konfrontiert nicht nur ihre Kunden, sondern auch ihre Mitarbeiter regelmäßig mit Dauer- und Wechselausstellungen. Wieso möchte man mit Kunst überraschen?

 

Kocjan: Ich denke, die Kunden der HYPO Steiermark sind davon gar nicht mehr überrascht, weil das Haus ja schon seit jeher bekannt dafür ist, ein Ort der Kunst und auch der Begegnung zu sein. Ein Haus, in dem man unterschiedlichste Dinge erlebt – unter anderem eben auch die Auseinandersetzung mit bildender Kunst. Aber sollte wirklich jemand die Bank betreten und nicht mit meinen Bildern rechnen, dann kann ich nur hoffen, dass er oder sie davon ordentlich überrascht wird!

 

Die Künstlerin in ihrem Atelier

 

Gölles: Wir erleben tagtäglich, dass Kunden zu uns kommen und von der Kunst, mit der wir sie hier konfrontieren, begeistert sind. Wenn man ihnen dann die Büros der Mitarbeiter zeigt, wo ebenfalls Kunst aus unserer Sammlung hängt, umso mehr. Wir fördern Kunst und Kultur aus Überzeugung, denn die HYPO Steiermark hat in ihrer Genesis und in ihrem Gründungspapier den Auftrag bekommen, nicht nur für das wirtschaftliche Wohl in der Region zu sorgen, sondern auch für die Leute, die in der Region leben – und dazu gehören auch die Künstlerinnen und Künstler. Wir haben in Österreich und ganz besonders in der Steiermark wirklich großartige Künstler quer durch alle Disziplinen, von der Musik über die bildende Kunst bis zur Literatur. Deswegen ist es für uns als HYPO Steiermark eine wunderschöne Aufgabe und eine ehrliche Verpflichtung, die Kunst und Kultur unserer Region zu fördern. Und ich denke, das spürt man auch, wenn man das Haus betritt. Wir möchten ein Ambiente bauen, in dem die Kunst sich mit der Wirtschaft verknüpfen kann.

 

Woher stammt die beträchtliche Sammlung der HYPO Steiermark?

 

Gölles: Sie setzt sich zusammen aus angekauften Werken steirischer Künstlerinnen und Künstler sowie aus unserer Partnerschaft mit der styrianARTfoundation, mit der wir über 10 Jahre lang gemeinsam mit deren Obfrauen Margret Roth und Prof. Edith Temmel KünstlerInnen-Klausuren im Stift Rein veranstaltet haben. Bei diesen Klausuren wurden über 100 steirischen Kunstschaffenden temporäre Atelierräume zur Verfügung gestellt und die entstandenen Arbeiten bei Ausstellungen und mittels Publikationen einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Viele Kunstwerke, die daraus entstanden sind, zeigen wir in einer Dauerausstellung in unserer Zentrale, anstatt sie in irgendwelchen Depots zu verstecken. Denn es sind großartige Werke und wir haben hier die Möglichkeit, sie angemessen zu präsentieren.

 

Asma Kocjan, „Future“

 

Wird es die Möglichkeit geben, die Ausstellung „Think Positive“ virtuell zu besuchen?

 

Gölles: Wir arbeiten gerade an einem Film über die Produktion dieser Ausstellung, mit dem wir über unsere digitalen Kanäle und Social Media die Möglichkeit eröffnen, sich der gezeigten Kunst und ihrer Entstehung zu widmen. Nach der Eröffnung der Ausstellung wird man überdies einen virtuellen Rundgang durch die Schau machen können – und im Zuge des Films dann auch durch das wunderbare Atelier der Künstlerin. Kocjan: Der von der HYPO Steiermark produzierte Film ist – neben dem virtuellen Ausstellungsbesuch – ein außergewöhnliches Projekt, weil er die Möglichkeit eröffnet, mir beim Arbeiten über die Schulter zu schauen, und großartige Einblicke in die Entstehung von Kunst gibt.